Start Politik Gemeinnützigkeitsrecht muss auch für zivilgesellschaftliche Organisationen gelten

Gemeinnützigkeitsrecht muss auch für zivilgesellschaftliche Organisationen gelten

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Staatssekretärin Trochowski setzt sich für Verbesserungen im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht für zivilgesellschaftliche Organisationen ein.

Potsdam – Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen und Vereine sehen sich seit Monaten mit der Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit konfrontiert. Unter anderem sind das globalisierungskritische Netzwerk Attac, das Netzwerk Compact der Tierschutzverein PETA und nunmehr auch die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.“ betroffen. Die Entscheidung über die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac hatte der Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Januar 2019 getroffen.

Am heutigen Montag hat sich Brandenburgs Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski daher mit einer Reihe dieser Vereinigungen getroffen, um die konkreten Auswirkungen der Aberkennung der Gemeinnützigkeit zu diskutieren und nach Möglichkeiten zu suchen, Abhilfe zu schaffen. Dazu erklärte sie: „Das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht hat offensichtlich mit den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht Schritt gehalten hat. Es ist höchste Zeit, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren, damit es der Zivilgesellschaft möglich bleibt, politisch zu agieren. Gleichzeitig brauchen sowohl Vereine als auch unsere Finanzämter eine klare Rechtsgrundlage.“ Fachlich unterstütze sie die Forderung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ nach einer Korrektur des Gemeinnützigkeitsrechts der Abgabenordnung (AO), so Trochowski weiter. Damit könne geregelt werden, dass auch die politische Willensbildung als gemeinnützig anerkannt wird.

„Das Gemeinnützigkeitsrecht“, so Trochowski weiter, „muss auf den Prüfstand gestellt werden, um eine Modernisierung zu erreichen. Es bedarf einer Gesetzesänderung im Steuerrecht, um die Gemeinnützigkeit für diese Vereinigungen zu erhalten. Für die Gesellschaft ist zivilgesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement wichtiger denn je und deshalb sollte es auch von Seiten des Staates die ihm gebührende Anerkennung finden. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit gegenüber den jetzt in Rede stehenden Vereinen schadet dem Renommee dieser Zusammenschlüsse, welches sie sich teilweise über Jahrzehnte hinweg erarbeitet haben und deren Engagement dringender als je zuvor gebraucht wird. Deshalb bedarf es hier dringend einer Klärung.“ 

Hintergrund:

Mit dem Urteil vom 10. Januar 2019 V R 60/17 zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit des „Attac Trägerverein e.V.“ (Attac) hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt, dass aus seiner Perspektive die Gemeinnützigkeit nach § 52 AO ausscheidet, wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt ist oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt. Damit ist zu erwarten, dass zivil-gesellschaftlichen Organisationen, die sich am politischen Diskurs beteiligen, in Zukunft die Gemeinnützigkeit aberkannt bzw. gar nicht erst zuerkannt wird.

Die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in der u.a. Attac, Terre des Femmes oder Robin Wood e.V. vertreten sind, fordert daher, Unsicherheit im bestehenden Rechtsrahmen abzuwenden und setzt sich langfristig für das Ziel eines modernen Gemeinnützigkeitsrechts ein. Dies beinhaltet insbesondere, die Abgabenordnung (AO) so geändert wird, dass die politische Willensbildung durch zivilgesellschaftliche Organisationen einen angemessenen Rechtsrahmen erhält und alle entsprechenden Ziele als gemeinnützig anerkannt werden. Kurzfristig solle das Bundesfinanzministerium handeln, indem es den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) überarbeitet. Der Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums regelt, unter welchen Umständen eine politische Betätigung eines Vereins schädlich für seine Gemeinnützigkeit ist. Derzeit sieht dieser vor, dass die Gemeinnützigkeit nur dann gegeben ist, wenn die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung weit in den Hintergrund tritt.

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