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Ergebnisse des Gutachtens zur Deponierung freigegebener Abfälle aus Kernkraftwerken im Land vorgestellt (SH)

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Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht: „Mit dem Ergebnis des Gutachtens eröffnet sich eine belastbare Perspektive für die Deponierung freigegebener Stoffe im Land. Auch wenn am Ende Kraftwerksbetreiber und Deponien für die Lagerung der Abfälle zuständig sind – das Land steht weiterhin zu seiner Verantwortung, den Prozess ergebnisorientiert zu begleiten.“

Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht hat heute die Ergebnisse des vom Land in Auftrag gegebenen Gutachtens zur Deponierung freigegebener Abfälle aus Kernkraftwerken in Schleswig-Holstein vorgestellt. Demnach sind grundsätzlich alle sieben untersuchten Deponien (Wiershop, Lübeck-Niemark, Johannistal, Harrislee, Schönwohld, Großenaspe, Damsdorf/Tensfeld) für die Ablagerung entsprechender Abfälle geeignet. Aufgrund der unterschiedlichen Kapazitäten der Deponien wird jedoch empfohlen, für die Ablagerung der Abfälle fortan nur noch die vier Standorte Wiershop, Lübeck-Niemark, Johannistal und Harrislee zu betrachten, da die Deponien Schönwohld, Großenaspe und Damsdorf/Tensfeld kurz vor der endgültigen Verfüllung stehen. Sie könnten perspektivisch die erwarteten Abfallmengen nicht aufnehmen. Insbesondere die beim Rückbau der Kernkraftwerke in der nächsten Zeit zu erwartenden Dämmmaterialien können aus bautechnischer Sicht dort nicht abgelagert werden.

Mit dem Gutachten machen wir nach Jahren der Diskussion einen großen Schritt nach vorn. Mindestens vier Standorte im Land sind für die Lagerung freigegebener Abfälle aus Kernkraftwerken geeignet. Damit eröffnet sich eine belastbare Perspektive für die Deponierung im Land, sagte Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht: Ich erhoffe mir auf dieser Grundlage auch an den Standorten der Deponien eine Versachlichung der Diskussion. Grund zur Sorge besteht für die Bevölkerung nicht.

Albrecht hatte zuvor die Deponiebetreiber und die Bürgermeister der Standort- und Nachbargemeinden über die Ergebnisse des Gutachtens unterrichtet. Auf Basis der jetzt vorliegenden Qualifizierung der Deponien können die Betreiber der kerntechnischen Anlagen und die Entsorgungswirtschaft die tatsächliche Entsorgung von mineralischen Abfällen organisieren. Die Behörden werden den Prozess weiterhin intensiv begleiten. Für einen Erfahrungsaustausch wird eine Begleitgruppe etabliert, die erstmals im Oktober tagen wird.

Laut Gutachten sind die Deponien Wiershop bei Geesthacht, Lübeck-Niemark, Johannistal bei Heiligenhafen und Harrislee an der dänischen Grenze für die Annahme der Abfälle geeignet. Die Sachverständigen haben die Größe, den Aufbau und die tatsächlichen Ablagerungsmengen der Deponien, die Abläufe im Umgang mit den Abfällen und die Behandlung der Sickerwässer und des dabei entstehenden Klärschlamms geprüft. Dabei wurden jeweils die Vor-Ort-Bedingungen mit denen einer Musterdeponie verglichen, die den rechtlichen Vorgaben der Strahlenschutzverordnung zugrunde liegt. Gesetzlicher Maßstab ist dabei das Dosiskriterium für die Freigabe, wonach für Einzelpersonen der Bevölkerung durch die freizugebenden Stoffe und Gegenstände nur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert im Kalenderjahr auftreten kann. Dieser Wert liegt weit unterhalb der natürlich in der Umgebung vorkommenden Strahlung und selbst unter der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlung innerhalb Schleswig-Holsteins.

Das Ergebnis der Qualifizierung: Einzelne Aspekte der Musterdeponie wurden von den schleswig-holsteinischen Deponien übererfüllt. Andere Abweichungen waren näher zu betrachten. In ihrer Stellungnahme kommen die Sachverständigen entweder zu dem Ergebnis, dass diese Umstände bereits jetzt vollständig kompensiert werden – so z.B. ein höherer Sickerwasseranfall durch eine größere Kläranlage – oder aber für die Deponie ist näher zu ermitteln, welche Art von Abfällen aus kerntechnischen Anlagen in welcher Menge angenommen werden können. Das kann im Ergebnis zu Einschränkungen in Bezug auf die jährlich deponierbaren Abfälle führen, stellt aber nicht die Nutzbarkeit als solche in Frage. Bereits im jetzt vorgelegten Gutachten wurden Szenarien betrachtet, die über die bei der Entwicklung der Strahlenschutzverordnung berücksichtigten Szenarien hinausgehen.

Minister Albrecht sagte den Kommunen, Kraftwerksbetreibern und Deponieinhabern weiterhin seine Unterstützung zu: Uns ist es wichtig, weiter mit allen Beteiligten in einem konstruktiven Austausch zu bleiben. Auch wenn am Ende Deponien und Kraftwerksbetreiber für die Lagerung der Abfälle verantwortlich sind, steht das Land weiterhin zu seiner Verantwortung, den Prozess ergebnisorientiert zu begleiten. Wir wollen ein klares Szenario, wie mit freigegebenen Abfällen aus Kernkraftwerken verfahren wird.

Der Minister und seine Fachleute haben angeboten, in den nächsten Wochen das Gutachten zusammen mit den Sachverständigen im Einzelnen den Verantwortlichen der Gemeinden an den vier Deponiestandorten vorzustellen. In den kommenden Monaten sollen die weiteren Prüfungen jeweils im Dialog mit der konkreten Deponie abgeschlossen werden, wobei wiederum unabhängige Sachverständige zum Einsatz kommen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Betreiber von kerntechnischen Anlagen und Deponien gemeinsam zu einer angemessenen Verteilung der zu deponierenden Abfälle aus den Kernkraftwerken finden und dass diese Lösungen Akzeptanz finden. Uns ist bewusst, dass es sich dabei um eine Daueraufgabe handelt, sagte Albrecht.

Hintergrund zur Entsorgung von zur Deponierung freigegebenen Abfällen

Jeder Mensch ist jeden Tag radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Er selbst „strahlt“ mit durchschnittlich 300 µSv (Mikrosievert) pro Jahr aufgrund der Radioaktivität, die er in sich trägt, z.B. durch eingeatmetes Radon oder durch Kalium-40 und andere radioaktive Stoffe aus dem Verzehr von Nahrungsmitteln. Wer täglich zwei Paranüsse isst, steigert seinen „Jahreswert“ an körpereigener Strahlung nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz um bis zu 160 µSv. Die gesamte natürliche Strahlenbelastung beträgt in Deutschland im Mittel 2100 µSv pro Jahr.

Da nahezu überall Radioaktivität vorhanden ist, muss eine Grenze definiert werden, ab der staatlicher Strahlenschutz beginnt und endet, weil unter ihr das Risiko der Strahlung zu vernachlässigen ist. Das international gültige De minimis-Konzept definiert eine Dosis, bei der mögliche Risiken so gering sind, dass sie außerhalb eines Regulierungsbedarfs liegen. Die Grenze liegt bei einigen 10 µSv pro Jahr pro Einzelperson („Dosiskriterium“). Nähere Informationen hierzu hat die Entsorgungskommission des Bundes, die ESK, herausgegeben:

https://www.entsorgungskommission.de/sites/default/files/reports/Informationspapier_ESK67_16072018_hp.pdf

Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass dieses sogenannte 10-Mikrosievert-Konzept infrage zu stellen wäre. Die Freigabe muss durch die zuständige Atomaufsicht erteilt werden, wenn das Dosiskriterium eingehalten ist (§ 33 Strahlenschutzverordnung). Eine Freigabe kann dann nicht verweigert werden. Freigabefähige Stoffe dürfen nicht als radioaktive Stoffe in einem Endlager entsorgt werden. Im Rahmen der „Qualifizierung“ wird konkret bewertet, ob eine Deponie alle Anforderungen erfüllt, um das Dosiskriterium sicher einzuhalten.

Pro Jahr werden in Schleswig-Holstein etwa 800.000 t Abfall auf Deponien der Klassen I und II entsorgt. Die freien Deponiekapazitäten DK I und II betragen in Schleswig-Holstein derzeit etwa vier Millionen m³. Aus der Freigabe zur Deponierung fällt je Kernkraftwerk nur etwa 1% der Gesamtasse an, beim Kernkraftwerk Brunsbüttel nach Angaben der Antragstellerin etwa 2.900 t, und dies insgesamt über ca. 15 bis 20 Jahre verteilt. Dies entspräche ca. 150 LKW à 20 t, d.h. im Mittel unter 10 LKW pro Jahr.

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